Dahinter an der Wand ist eine Art Gleisfreimeldetafel angebracht, die jedoch – laut Wärter – nicht die Augenscheinprüfung ersetzt! Es gibt nämlich Fälle, in denen zwar die zusätzliche „Gleisfreimeldeeinrichtung“ ein freies Gleis vortäuscht, obwohl eine Lok in dem betreffenden Gleis rangiert. Der Grund: Diese Einrichtung funktioniert nur in bestimmten Abschnitten eines Gleises, jeweils zwischen zwei Weichen.
Interessant waren auch die Einrichtungen zur Verknüpfung mit dem Fahrdienstleiterstellwerk. Damit der Wärter am einen Ende der „Hebelbank“ auch den Zugschluss beobachtet, ist am anderen Ende – am kleinen zu den Bahnsteigen weisenden Fenster – eine kleine Box zur Bestätigung angebracht. Außerdem befinden sich hier auch die Tasten zur Abgabe von Zustimmungen für Einfahrten. Die Arbeit des Wärters sah sehr routiniert aus, trotzdem haben wir es für einen kurzen Augenblick geschafft, ihn aus dem Konzept zu bringen. Durch unsere Fragen hat er beinahe vergessen, einen Befehl wieder zurückzugeben, woraufhin sich der Fahrdienstleiter über Funk meldete: Ob er denn schlafen würde oder so. Er solle doch gefälligst den Befehl zurückgeben.
Nach diesem kleinen – für den sicheren Betrieb unbedeutenden – Zwischenfall besichtigten wir das dreistöckige Fahrdienstleiterstellwerk. In den ersten beiden Etagen befindet sich die Technik und der Aufenthaltsraum der Mitarbeiter, in der obersten das Herz der Anlage: die Schaltzentrale des ESTW-Stellwerks. Diese Bauform bedient sich der Computertechnik. Die beiden Fahrdienstleiter (Fdl), die sich die Arbeit teilen, haben jeder lediglich ein Tableau vor sich liegen und drei Monitore vor sich auf dem Tisch stehen. Auf dem Tableau, das mittels eines Stiftes bedient wird, ist ein Spurplan der einzelnen Gleise, Signale und Bahnübergänge (BÜ) im Bahnhof und Umgebung, sowie die einzelnen Bedientasten dargestellt. Etwas abseits von diesem Tableau befindet sich – im Tisch eingelassen – eine rote KF-Taste (Kommandofreigabe), die aus einer bequemen Sitzhaltung schwer zu bedienen ist. Das hat auch seinen Grund, denn schließlich quitiert der Fahrdienstleiter damit eine Handlung, die vom Regelbetrieb abweicht und eine Gefährdung der Sicherheit beinhalten kann. Außerdem muß er diese zählpflichtigen Handlungen begründen. Auf den beiden linken Monitoren werden die aktuelle Gleisbelegung, Zugfahrten und Rangierfahrten auf einem Spurplan des Bahnhofs vergrößert angezeigt.
Der rechte Monitor stellt einen Ausschnitt der Umgebung als Spurplan dar; damit ist eine bessere Übersicht über die ankommenden und abfahrenden Züge gewährleistet. Hinter den Monitoren befinden sich noch drei – in die Wand eingelassene – Überwachungsmonitore der drei zu sichernden BÜs. Die Sicherung eines BÜs ist ganz einfach. Jeder Zug, der sich einem dieser drei BÜs nähert, leitet den Schließvorgang des BÜs ein. Gleichzeitig schaltet sich der Bildschirm, dessen BÜ sich gerade schließt, ein. Nachdem der Bahnübergang geschlossen ist, braucht der Fahrdienstleiter nur noch darauf zu achten, dass sich keine Personen oder Fahrzeuge auf dem BÜ befinden. Er meldet dann den entsprechenden BÜ frei. Dazu tippt er mit seinem Bedienstift (Pen) das Feld UF – für Bahnübergang freimelden – an, danach das Feld des entsprechenden BÜs und anschließend V – für Eingabe verarbeiten. Nun kommt die Aufforderung, die KF-Taste zu bedienen, allerdings ohne Zählung und Begründung. Die rote KF-Taste muß genau 3 Sekunden gedrückt werden, damit die Bedienung anerkannt wird. Wird die Taste zu kurz gedrückt, müssen die vorangegangenen Schritte wiederholt werden. Wird sie hingegen zu lang gedrückt, meldet der Rechner eine Störung der KF-Taste. In diesem Fall, muß erst diese Störung behoben werden, wozu als letzte Aktion die KF-Taste wieder genau 3 Sekunden zu drücken ist. Erst danach kann wieder damit begonnen werden, den BÜ freizumelden. Dies soll verhindern, daß eine KF-Taste, die sich verklemmt hat, evtl. weitere schwerwiegende Folgen für die betriebliche Sicherheit nachsichzieht. Es ist also ganz einfach einen BÜ zu sichern, oder? Solange dies nicht geschehen ist, wechselt das Signal für diesen Abschnitt über den BÜ nicht auf Fahrt. Das heißt im Klartext: Wenn der Fdl einen BÜ nicht frühzeitig freimeldet, muß der sich dem Signal nähernde Zug abgebremst werden und dies wiederum führt zu Verspätungen. Auf die Frage, was passiert, wenn ein Fahrzeug auf dem BÜ steckenbleibt, und die Schranken bereits geschlossen sind. Bekommen wir als Antwort zu hören: Dann muß der BÜ wieder geöffnet werden mit KF-Tasten-Bedienung und Zählung sowie nach der Räumung wieder geschlossen und freigemeldet werden. Dies kostet natürlich Zeit und führt dadurch zu Verspätung des Zuges. Wenn der BÜ allerdings schon freigemeldet ist und beispielsweise ein ungeduldiger Fußgänger begibt sich auf die Schienen zwischen den Schranken, so ist es zwar möglich dem herannahenden Zug das Signal, das vor dem BÜ steht, wieder auf Halt zu stellen aber sich der Zug schon entsprechend nahe am deckenden Signal befindet und selbst wenn der Zug dadurch eine Zwangsbremsung erhalten würde, reicht der Abstand zum BÜ dann oft nicht aus, um vor dem BÜ zum Stehen zu kommen. In diesem Fall den BÜ wieder zu öffnen wäre ebenfalls gefährlich, da die wartenden Fahrzeuge den BÜ zu überqueren beabsichtigen. Ein Zusammenstoß Zug mit Kraftfahrzeug geht leider zu Ungunsten des Fahrzeugs aus. Leider mußten wir einen ungeduldigen Zeitgenossen bei der Überquerung eines freigemeldeten BÜs beobachten. Zwar ist er vor dem stehenden Zug über die Gleise getreten, aber es hätte auch genau zu dieser Zeit ein Zug aus der Gegenrichtung kommen können. Auch einen waghalsigen Zweiradfahrer durften wir beobachten, der während sich die ersten beiden der vier Schranken schlossen, noch schnell einen Schlenker über den BÜ machte. An dieser Stelle sollte ich auch die einzige Frau erwähnen, die hier oben ihre Arbeit verrichtet. Sie ist Zugansagerin. Sie ist diejenige, die die Fahrgäste begrüßt, deren Anschlüsse nennt und den Zielanzeiger um Hinweise wie: 5 min. Verspätung oder heute von Gleis 7, ergänzt. Wiederum haben wir es geschafft, jemandem mit unseren Fragen aus dem Konzept zu bringen. Sie wußte zeitweise nicht mehr, ob sie einen Zug angesagt hat oder nicht. Vielleicht war sie auch unserem Charme erlegen, wer weiß? Auf jeden Fall haben wir gegen 18.00 Uhr, als die nächste Schicht kam, uns herzlich bedankt und verabschiedet.
An dieser Stelle möchte ich noch einen besonderen Dank an Holger Metschulat, einem unserer Technikreferenten der Aka-Bahn, aussprechen, ohne dessen fabelhafte Organisation diese Exkursion nicht stattgefunden hätte, sowie an die freundlichen Mitarbeiter des Hauptbahnhofs Hanau, die uns diesen fantastischen Einblick in ihre Tätigkeit gegeben haben.
Text: Autor unbekannt. [Übernommen / Überarbeitet 24.03.2019; RG]